Babak Rafati - der Schock und
das Umdenken
Liga-Präsident Rauball stellte fest, dass der Fall Robert Enke nun doch
kein Einzelfall war und man müsse nun den Dingen auf den Grund gehen. Da stellt
sich die Frage „wie“?
Erinnern wir uns noch? Vor fast genau zwei Jahren hatte sich der damalige
Nationaltorwart Robert Enke das Leben genommen. Damals legte die
Fußball-Branche den Schalter von Geld- und Leistungsstreben auf
Nachdenklichkeit um. Es gab eine riesige Trauerfeier im Stadion. Es wurde auch
viel darüber geredet, dass dieser Todesfall für die gesamte Gesellschaft der
Anlass sein sollte, das Thema Depressionen zu enttabuisieren und zu diskutieren.
Was hat sich seit damals geändert?
Jetzt forderte DFB-Präsident Theo Zwanziger wieder, in all dem
Bundesliga-Trubel wieder mehr auf den einzelnen Menschen zu schauen.
Das hört sich gut an. Aber wie ? Kann
und muss das Leben nun weitergehen? Es muss.
Gibt es im Profifußball einen Platz für gescheiterte Menschen? Hier geht es
um den Erfolg, um tatsächliche oder scheinbare Größe.
Wie wird das Produkt „Fußball“ in den Medien verkauft? In der Sportschau
wird kein schlechtes 0:0 mehr gezeigt, ohne dass vorher eine dramatische
Fanfare abgespielt wird. Die Hymne der Champions League klingt, als würden
gleich anschließend Cäsar und Kleopatra samt 500 Gladiatoren ins Stadion einmarschieren.
In dieser Welt sind nicht nur die Schiedsrichter eine besonders geforderte
Gruppe, sondern auch die Spieler, die Trainer, Manager und Vorstände und
sonstige Verantwortungsträger.
Ihre Leistung bewegt im Zweifel Millionenbeträge. Ein falscher Abseitspfiff,
eine vergebene Torchance, eine falsch gewählte Taktik, kann darüber
entscheiden, ob ein Verein in der nächsten Saison in der Ersten oder Zweiten
Liga kickt.
Und wer hat sich nicht schon mal über den Schiedsrichter erregt? -Ich muss gestehen, ich habe es schon häufiger gemacht- Dieser
kann sowieso nie Allen gerecht werden und hat einen besonderen Druck.
Ist nicht unsere Gesellschaft davon geprägt?: „Nur die Leistung wird
belohnt“? Der einzelne Mensch zählt nur
so lange, wie er Leistung bringt. So ist es in allen Lebensbereichen, und so
ist auch Fußball!
Stellt sich nach wie vor die Frage, wie man den Dingen auf den Grund gehen
kann? Wie könnte man einen Prozess des
Umdenkens anregen?
Jeder Mensch steht in irgendwelchen Lebensbereichen in einer Verantwortung
und wird nicht immer fehlerfrei sein. Und gleichzeitig strebt jeder Mensch nach
Anerkennung und Wertschätzung.
Um beim Fußball zu bleiben:
Hat nicht sogar jeder Amateur- und Kreisligaschiedsrichter viel Zeit und
Ausdauer, viel Leidenschaft, viel Übung und Fortbildung investiert, sich Eignungs- und
Prüfungsverfahren ausgesetzt? Um dieser Leidenschaft nachzugehen Familienleben
und Wochenende hinten angestellt? Im Amateurbereich müssen die Vereine hohe
Strafgebühren zahlen wenn diese nicht eine angemessene Anzahl an Schiedsrichter
stellen können, damit ein ordentlicher Spielbetrieb gewährleistet werden kann.
Was muss dann ein Schiedsrichter alles schon geleistet haben, wenn er ganz
oben auf der Rangliste beim DFB oder gar bei der FIFA angekommen ist? Welchen
langen Weg ist er bis in die Spitze der Schiedsrichterzunft gegangen? Hat diese Leistung nicht erst einmal
Wertschätzung und Anerkennung verdient, auch wenn mal Fehlentscheidungen
getroffen werden?
Wieviel Respekt und Umdenken ist denn wirklich vorhanden, wenn Medien oder
Sportzeitschriften auf der einen Seite den Todestag von Robert Enke gedenken,
hinterfragen wollen, ob sich seit seinem Freitod etwas im Fußball geändert hat. Jedoch auf
der nächsten Seite eine Umfrage über „den schlechtesten Schiedsrichter“ ins
Leben gerufen haben und veröffentlichen?
Wer hat solche Ideen, wem nutzen sie und wer konsumiert solche Dinge??
Diese Wege durchlaufen ebenfalls die aktiven Fußballer von der niedrigsten
Amateurliga bis zum Spitzenprofi und auch die jeweiligenTrainer.
Welchen Weg hat zum Beispiel ein Fußballtrainer durchlaufen wenn er im
Profisport angekommen ist? Wieviel Leidenschaft, Zeit, Diziplin, Fachwissen und
Kompetenz wird selbst ein Trainer einer Abstiegsmannschaft in den oberen
Fußballligen haben? Auch wenn es im Sport, neben Geld immer um gewinnen und
verlieren geht. Steht nicht sogar dem Trainer eines Absteigers grundsätzlich
Respekt zu?
Dann werden von Medien vor einer Saison, Umfragen und Prognosen, von
sogenannten Experten gestartet und veröffentlicht. Welcher Trainerstuhl wackelt
am meisten? Welcher Trainer hat die
wenigste Ahnung von seinem Metier? Welcher Trainer fliegt zuerst? Man kann
sogar drauf wetten und Geld damit verdienen!
Wer hat solche Ideen? Wem nutzen sie? Wer konsumiert solche Dinge???
In einem Blog habe ich zum Thema noch folgenden
interessanten Beitrag entdeckt und möchte diesen hier gerne zitieren.
Vielleicht auch zum schmunzeln!
Für die neuzeitlichen Gladiatoren ist es noch
schlimmer.
Wenn du einen Ball über eine Wiese treten kannst, dann
bist du plötzlich wer. Dann ist man die aktuelle Version eines Helden. Leute, die bestenfalls mal auf einer Wiese gesessen
haben, sind die großen Fans und haben es ja schon immer gewusst, dass dieser
Spieler mal was wird.
Und genau diese Leute haben auch von Anfang an schon
immer gewusst, dass genau dieser Spieler nix taugt.
Sagen die Leute, deren Fachkenntnisse darauf
beschränkt, den Weg zum Stadion zu finden.
Brot und Spiele, damit hält man die “Massen”
zufrieden. Also macht man ein ziemlich albernes Spiel von Leuten in Unterhosen,
die einen kleinen Ball über eine Wiese treten, zum absolut wichtigem Event.
Kann sich noch jemand daran erinnern, wie wichtig es
war, einen kleinen gelben Ball über ein Fliegengitter zu dreschen? Nein? Ich
schon. Ich fahr nämlich jede Woche an den ausgestorbenen Tennisplätzen vorbei.
Da waren wir alle Tennisexperten, wir kannten alle
tollen Spieler. Dummerweise hat es “uns” nicht das geringste gebracht. Also
sind wir alle wieder Oberschiedsrichter beim Fußball geworden.
Wir wissen ganz genau: Der Schiedsrichter, der 2 Meter
neben dem Ball stand, hat wesentlich weniger gesehen, als wir, die wir ja 300
Kilometer entfernt auf dem Sofa sitzen. Außerdem ist der ja sowieso parteiisch.
Also für den falschen Verein parteiisch, nicht für den unsrigen.
Wer funktioniert wie erwartet, der ist toll. Wer das
nicht schafft oder nicht schaffen will oder kann, der kommt weg. Basta. Wir
müssen am Fließband schließlich auch funktionieren. Also.
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